Sich bewegen (lassen) ist das Ziel - Gedanken zum Fasten bzw. Fastenwandern

Hellmut Bölling

Ende März diesen Jahres ist in der Öffentlichkeit ein neuer Schwung in das Thema Heilfasten gekommen: ARTE sendete einen vielbeachteten Beitrag, der dessen Möglichkeiten wohlbegründet über eine "Vorsorge für Gesunde" hinaus darstellte. Es gehe vielmehr um eine echte, wirksame Therapieform, die sogar beim heiklen Thema Krebs direkt zu greifen scheint. Eine Linderung der Nebenwirkungen der Chemotherapie durch das Fasten darf bereits als gesichertes Forschungsergebnis angesehen werden.

Die in allen Kulturen bekannte Tradition des Fastens bietet wohl weit über die rein körperlichen Wirkungen hinaus einigen ganzheitlichen Gewinn. Als Fastenwandern kann sein Ertrag nochmals auf eine sehr natürliche Weise gesteigert werden. Es unterstützt uns in mehreren Aspekten darin, uns mehr auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren. So wird dem Körper beim Fasten die Arbeit der Verdauung abgenommen; wir bekommen Gelegenheit, andere Vorgänge des Lebens, auch geistige, besser zu verdauen: Entschlüsse, Ereignisse und Überlegungen der letzten Zeit etwa…Der Leib zieht nun seine Energie aus "Reserven"…beruhigend, zu wissen, dass es diese gibt. Daraus können wir wohl ableiten, auch auf verborgene gedankliche Reserven vertrauen zu dürfen, die uns in den Fragen unseres "Lebenskonzepts" weiterbringen können.

Die größere Ruhe, die sich nun im Körper einstellt, bietet eine gute Gelegenheit, unsere Gedanken und unser Inneres überhaupt zur Ruhe zu bringen! Was haben wir vielleicht ein wenig verzerrt in letzter Zeit betrachtet? Vielleicht erleben wir die Wahrheit eines Bildes: Nur ein ruhiger, windstiller See bildet den Himmel darüber in schöner und unverfälschter Form ab!

Zudem entschlackt und entgiftet uns das Fasten. Dies können wir dazu nutzen, auch die geistige und emotionale Seite auf solche fragwürdigen Ablagerungen hin zu prüfen. Vielleicht gibt es ja im "Keller" unseres Gebäudes der Gefühle Manches, das zu klären oder gar zu entsorgen wäre?!

Nun zur sehr bekannt geworden Variante des Fastens, die es mit dem Wandern in der Gruppe kombiniert. Diese Form hat, wie ich meine, im Kern viel mit dem Anspruch des Pilgerns gemeinsam, das ja ebenso derzeit eine Renaissance erlebt: Ein Pilger bewegte sich vom gewohnten Ort weg, wagte Neues und nahm dabei tage- oder auch wochenlange Strapazen auf sich. Das Ziel war es, einen "Ort der Gnade" zu erreichen. In der Bewegung und in dem als Belohnung aufgefassten Ziel gewann er nicht nur zu seinem derzeitigen Ausgangspunkt im Leben, sondern oft auch zu seinem So-Sein insgesamt eine fruchtbare Distanz. Er/Sie ließ so Einiges hinter sich, oft in des Wortes umfassendster Bedeutung. Im Eingestimmt-Werden auf die etwas monotone, leichte Anspannung im Gehen wird der Kopf in seiner häufigen Dominanz zurückgenommen und eine wichtige Perspektive wird stärker: Man sieht im Laufe (!) des Wegs allmählich mit dem Herzen besser! Wir erkennen Zusammenhänge, die in der Tretmühle des Alltags oft undeutlich bleiben, weil dort der Kopf in seinem Drang zur ständigen Analyse alles zu zergliedern pflegt...Gelegentlich drehten wir uns dabei im Kreis. Und: Wir entdecken im herzgewirkten Wandern sogar möglicherweise ein neues, lohnendes Lebensziel!

Bei stundenlanger Bewegung durch die Natur ist es sehr reizvoll, die Metaphern des Tageslaufs und die vielfältigen Beobachtungen unterwegs zu "lesen"! So können wir dank unserer Intuition Manches zutage fördern: Was ist gerade in meinem Leben so beschwingt, wie es vielleicht der Schwalbenflug in der Höhe sichtbar werden lässt? Oder, um zwei Gedanken Hölderlins sinngemäß aufzugreifen: "Ich hatte die Schönheit der Natur so glücklich in mich aufgenommen, dass ich die Lücken in meinem Leben damit auffüllen und dabei auch genau erkennen konnte." An anderer Stelle sagt er: "Auf dem Berggipfel angekommen überkam mich das Wissen, was das Wesen meines Menschseins aus höchster Perspektive ausmacht!"

Fasten ist etwas sehr Natürliches, was auch daran liegt, dass wir Menschen in Jahrtausende langer Evolution an den Umgang mit Mangelzuständen gewöhnt worden sind. Mit diesen können wir besser umgehen als mit Situationen des Überflusses. Fastenwandern stellt den Zusammenklang mit der Natur also "laufend" her und ist somit etwas sehr Organisches. Nehmen Sie also diese doppelte Chance wahr, ihrer eigenen Natur auf diesem Weg wieder etwas näher zu kommen.

Um was es mir "ging" (!): Nehmen Sie die Bewegung beim Fastenwandern als den Ruck, der bewegend durch ihr Leben gehen könnte! Machen Sie es wie Ihr Körper und konzen-trieren Sie sich wieder auf das Wesentliche im Leben. Suchen Sie Antworten auf unterschwellige Fragen im Betrachten der "Bilder", die das Naturgeschehen Ihnen Schritt für Schritt bietet. Sie werden merken, wie scheinbar "Zufälliges" verschlüsselte "Anstöße" zu eventuell notwendigen Neu-Anfängen geben kann. In der -wichtigen- Ruhe nach dem Wandern, ein Rhythmus, der ein wenig an Ebbe und Flut erinnern mag, könnten dabei sehr konkrete Folgerungen für Ihren Lebensweg erkennbar werden.

Hellmut Bölling ist u.a. Philosophischer Praktiker in München (www.Philosophische-Wegstunde.de)

Zurück